Neuromarketing – Werbepsychologie 4.0

Wer sich beruflich mit Marketing, Werbung, Markenpsychologie und den Medien bzw. mit Werbepsychologie im Studium beschäftigt, kommt heute um dieses Thema nicht herum: Neuromarketing. Was Neuromarketing ist, wie es funktioniert, und wo es in der Praxis zum Einsatz kommt – darüber schreibt Thomas Gut im ersten Artikel seiner Beitragsreihe rund um Smart and Digital Marketing.

Was ist Neuromarketing genau?

Wie so viele interdisziplinäre Methoden hat auch das Neuromarketing leicht unterschiedliche Definitionen. Es kommt immer ein wenig darauf an, wo man nach dieser Definition sucht.

In den Bereichen Werbung und Marketing verstehen wir unter Neuromarketing (von griechisch neuro, «Nerv») ein System, das wissenschaftliche Erkenntnisse aus unterschiedlichen Forschungsbereichen rund um menschliches Verhalten für die individuelle Ansprache von Konsumentinnen und Konsumenten einsetzt.

Das Neuromarketing befasst sich also mit den Fragen nach der Ursache von Kaufentscheidungen.

Die Erkenntnisse aus Hirnforschung, Genetik, Psychologie und Neurochemie helfen dabei, das komplexe emotionale Spektrum der menschlichen Persönlichkeit zu erfassen und daraus unterschiedliche Entscheidungstypen abzuleiten.

System, Methode, Tools: Was sind eigentlich «Limbic Types»?

Eine alte Verkäuferweisheit besagt «sell the sizzle, not the steak». Und wir wissen alle, dass Wünsche, Gefühle, Träume, Hoffnungen und auch das individuelle Verständnis des Selbst eine deutliche stärkere Zugkraft haben als jede Logik.

Um diese schwer erfassbaren Begriffe rund um Gefühle und Motivationen systematisieren und nutzen zu können, arbeiten wir im Neuromarketing mit dem sogenannten Limbic Modell nach Dr. Hans-Georg Häusel. Die darin erfassten und daraus ableitbaren Persönlichkeitstypen werden auch als Limbic Types bezeichnet.

Den Namen hat das Modell vom menschlichen limbischen System, dem «Sitz» unserer Gefühle. In der Werbung und im Marketing weiss man längst um die dramatische Rolle von Emotionen, die unsere logischen Entscheidungen mit Leichtigkeit überschreiben.

Mithilfe des Limbic Modells können Zielgruppenanalysen, Positionierungen von Brands und die strategischen Ausrichtungen im Marketingmix emotional zugeordnet werden.

Das Modell kennt drei Emotionssysteme: Stimulanz, Dominanz und Balance. Diese können positive (Belohnung) wie negative (Strafe) Seiten haben, die das Verhalten dem System entsprechend beeinflussen. Jeder Mensch hat zudem seine individuelle Ausprägung, die zudem durch seine Herkunft, sein Geschlecht (im Fokus hier: weibliches vs. männliches Gehirn), seine Sozialisation und sein Alter entscheidend beeinflusst wird.

Aus den Emotionssystemen in ihren unterschiedlichen Ausprägungen ergeben sich die Limbic Types, die man als Hedonisten, Abenteurer, Performer, Traditionalisten, Harmoniser, Offene und Disziplinierte kennt.

Die Namen der Limbic Types sind weitestgehend selbsterklärend. Und da werbliche Ansprachen dieser unterschiedlichen Typen unterschiedlicher kaum sein könnten, ist es für jedes Unternehmen vital, seine eigene Positionierung und Kommunikation innerhalb dieses Systems zu begreifen.

Grundlage des Neuromarketings: Analysen und Untersuchungen

Fragen Sie sich eigentlich, wie die Erkenntnisse zustande kommen, die den Emotionssystemen zugrunde liegen?

Fun Fact: Wenn Sie schon einmal Gebrauch von Eyetracking-Tools gemacht haben, um die Performance Ihrer Website zu analysieren, haben Sie auch schon Neuromarketing betrieben. Denn Eyetracking gehört neben der wissenschaftlichen Untersuchung im Rahmen der Gehirnforschung, die mit körperlichen Messungen der Gehirnaktivität (Gehirnströme, Puls, Schweissbildung usw.) in einem Labor einhergehen, zum Analyserepertoire dazu.

Vom Customer-Avatar zur Kampagne – mit den «4 Codes»

Beim Neuromarketing wird auch das Symbolsystem, das der Werbung zur Verfügung steht, entsprechend systematisiert. Schliesslich müssen Unternehmen und Marken ihre Botschaften und Kampagnen auch so gestalten können, dass diese die unterschiedlichen Limbic Types perfekt ansprechen.

Das Neuromarketing kennt für diese Gestaltung die sogenannten «4 Codes»:

  • Sensorisch – die gesamten menschlichen Sinneseindrücke
  • Episodisch – der Bereich des klassischen Storytellings
  • Symbolisch – bekannte und relevante Symbole wie Logos, Icons u. Ä.
  • Sprachlich – geschriebene und gesprochene Sprache in all ihrer Komplexität

Die vier Codes kommen online und offline sowie je nach Format, Kanal und Medium unterschiedlich zum Einsatz. Eine Warenpräsentation im Geschäft setzt auf andere Codes als ein Werbebanner im Online-Shop usw.

Fazit: Neuromarketing lohnt sich

Mit dem System und den Tools des Neuromarketings können Sie als Unternehmen ganz individuell verstehen, wie Ihre Kundinnen und Kunden Kaufentscheidungen treffen, was sie motiviert und anspricht. So können Sie nicht nur Ihre Strategie und Ihre Kampagne, sondern auch Ihre eigene Positionierung und Ihr Markenimage optimieren.

Um es etwas dramatisch auszudrücken: Neuromarketing macht Irrationales begreifbar und planbar. Neuromarketing lohnt sich.

Thomas Gut Autor
Autor
Thomas Gut
Chief Digital Officer
«Bodenhaftung und Beständigkeit über Jahre geben Vertrauen.»

Beitrag teilen

Planen Sie ein ähnliches Projekt?

Wollen Sie mehr erfahren? Kontaktieren Sie uns.
Wir helfen Ihnen gerne weiter!
Kontakt
Weiteres Know-how: